Industrielle und andere Revolutionen

„Nichts ist so beständig wie der Wandel“, wussten schon die alten Griechen (in diesem Fall Heraklit von Ephesus). Veränderung gehört also zum Leben.

Handelt es sich dabei um drastische Veränderungen sprechen wir von einer Revolution. Revolutionen lassen in der Regel keinen Stein auf dem anderen. Sie verändern unsere Welt nachhaltig und auf Dauer. Eine Revolution eröffnet Möglichkeiten, birgt aber auch Gefahren.

Das gilt auch für Industrie 4.0, die vierte industrielle Revolution. Durch den Einsatz von Robotern und Künstlicher Intelligenz (KI) könnten die Industrieländer für produzierende Betriebe wieder als Standort attraktiv werden.

Wie das gelingen könnte, zeigt beispielsweise der Zehn-Punkte-Plan des Netzwerks Plattform Industrie 4.0. Die Plattform fordert darin unter anderem verbindliche Standards und rechtliche Regelungen, die derzeit vor allem für KI völlig fehlen.

Alles anders mit Industrie 4.0

Wir alle müssen uns mit diesen Fragen auseinander setzen – nicht nur die Unternehmen. Denn die vierte industrielle Revolution verändert alles. Bezeichnungen für diese Entwicklung kursieren viele: Industrie 4.0, Digitalisierung, Eigenständigkeit der Computer, Internet der Dinge (IoT), vernetzte Welt, Smart Home oder kognitive Systeme. „Revolution 4.0“ trifft es am besten.

Getrieben durch enorme technologische Fortschritte verändert sie, was Wohlstand, Gesundheit und Glück bedeuten. Sie verändert, wie wir leben, arbeiten, miteinander verbunden sind. Und sie verändert, wie Behörden eingreifen, regulieren, für die Bürger da sind und diese schützen.

2025 werden 50 Prozent des weltweiten BIP (Englisch) digital generiert – durch einen komplett automatisierten, maschinellen Prozess, bei dem keinerlei menschliches Eingreifen erforderlich ist. Und das wird erhebliche Auswirkungen haben.

Die erste industrielle Revolution

Die Mechanisierung der Produktion mit Wasser und Wasserdampf prägte die erste industrielle Revolution (1750 – 1840). Erfindungen wie die Dampfmaschine, Werkzeugmaschinen, mechanische Webstühle, Zement und die Eisenbahn veränderten die Landschaft.

Die Menschen wanderten in Massen aus den ländlichen (bäuerlichen) Regionen in die urbanen (Städte). Mit Verbreitung der Druckmaschinen stieg die Sprach- und Lesekompetenz. Der Fortschritt hielt Einzug. Die großen Bibliotheken der Welt wurden gebaut und öffentlich zugänglich gemacht.

Revolutionen brachen aus. Napoleon eroberte fast ganz Europa. Das gesamte Gesellschaftsgefüge wandelte sich. Große Denker wie Voltaire, Paine und Rousseau kamen überein, dass die Gesellschaft nach Regeln der Vernunft organisiert sein sollte, statt nach religiösen Überzeugungen.

Tatsächlich beruhen die meisten Fortschritte der westlichen Zivilisation auf rationalem Denken und Handeln sowie den Gesetzen des Marktes. Das ändert sich heute.

Die zweite industrielle Revolution

Die Entdeckung der Elektrizität initiierte die zweite industrielle Revolution (1840 – 1969). Elektrizität ermöglichte Massenproduktion. Sie bereitete den Weg für andere Erfindungen wie das Auto, Flugzeuge, Fernsehen, Telefonie und sogar die Wasserstoffbombe.

Es war das große Zeitalter von Eisen, Stahl, Elektrifizierung, Erdöl, Chemikalien, Motoren, Telekommunikation und moderner Unternehmensführung.

Die zweite industrielle Revolution führte zum größten Wirtschaftswachstum in der kürzesten Zeitspanne aller Zeiten – hervorgerufen durch Massenproduktion und moderne Herstellungsverfahren. Der Grundstein für die Globalisierung wurde gelegt.

Die großen westlichen Gesellschaften befreiten sich aus der Armut. Tödliche, weitverbreitete Krankheiten wurden ausgemerzt. Zwei Weltkriege (und ein weltweiter Börsencrash) beendeten dieses überoptimistische Zeitalter des Aufbruchs.

Die dritte industrielle Revolution

Informationstechnologien und die damit verbundene Automatisierung der Produktion löste die dritte industrielle Revolution (1969 – 2000) aus.

Zu den Erfindungen dieser Zeit zählen unter anderem integrierte Schaltkreise, Computer, Smartphones, das Internet, Weltraumforschungstechnologien und der Laser. 1988 beschäftigte Kodak 170.000 Mitarbeiter und bediente 85 Prozent des weltweiten Papierbedarfs.

Ein paar Jahre später war das Geschäftsmodell obsolet (Englisch) und Kodak bankrott. Ja, natürlich lösten digitale Technologien den Film ab. Kodak erkannte weder die disruptiven Kräfte, noch deren Chancen oder den Bedarf an notwendigen Investitionen. Das Unternehmen verpasste seinen eigenen „Kodak-Moment“.

Die vierte industrielle Revolution – Industrie 4.0

Die vierte industrielle Revolution (2000 bis heute) digitalisiert nicht nur die Produktion, sondern auch „kognitive Aufgaben“, die bislang nur das menschliche Gehirn bewältigte. Diese Revolution übertrifft in Umfang, Größe, Geschwindigkeit und Komplexität alles bisher Dagewesene.

Die Auswirkungen berühren die gesamte Menschheit. Alle Industriezweige, alle Länder, alle Facetten jedes ruhmreichen Elements unserer Gesellschaft. Sie revolutioniert Geschäftsmodelle, gestaltet die Welt um und definiert auch unsere Existenz völlig neu.

Die technischen Möglichkeiten dieser Revolution werden unendlich sein. Und sie stellen eine enorme Herausforderung dar. Sie haben die Macht, zu erschaffen und zu zerstören. Doch lapidar gesagt: Zerstören ist einfach.

Vernichtende Katastrophen passieren. Beispiel Kreide-Paläogen-Desaster: Der Meteoriteneinschlag, der für das Aussterben der Dinosaurier verantwortlich ist, vernichtete rund 75 Prozent aller Tier- und Pflanzenarten der Erde.

Manche denken, dass fühlende Maschinen und technologische Singularität künftige Megakatastrophen auslösen werden. Singularität gilt als der Punkt, an dem Maschinen ebenso gut oder besser denken und handeln können als Menschen (und uns damit überflüssig machen).

Diese Artikelserie beleuchtet die schöpferischen Kräfte der 4IR als Goldenes Zeitalter der Innovation. Doch die Gefahren sollten dabei nicht unterschlagen werden.

Zum Weiterlesen können Sie The Golden Age of Innovation (Englisch) hier herunterladen.

Einen weiteren Artikel zum Thema Industrie 4.0 finden Sie in meinem Blog.

Dieser Artikel wurde aus dem Englischen übersetzt.

Mark Barrenechea

Mark J. Barrenechea, Chief Executive Officer und Chief Technology Officer von OpenText, ist ein anerkannter und branchenerfahrener Vordenker im Bereich Informationstechnologien. Er hat das erklärte Ziel, Organisationen bei ihrer Transformation zum digitalen Unternehmen zu unterstützen.

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