Was wir von Zappos.com über die Lieferkette lernen können
E-Commerce gehört auch in Deutschland, Österreich und der Schweiz zu den Erfolgs-Storys.
Online Shopping ist für viele eine bequeme Möglichkeit, vor allem Non-Food Produkte einzukaufen. Gemütlich von daheim suchen, stöbern, finden – und kaufen.
Eine aktuelle Studie von Statista und EHI hat ermittelt, dass sich die Top-100 des deutschen Onlinehandels 2015 über ein sattes Umsatzplus von 13 Prozent freuen durften.
Ähnlich sieht es in Österreich und der Schweiz aus. Der E-Commerce ist damit dem Rest des Einzelhandels in puncto Wachstumsraten weit voraus.
Erfolgreiche Online-Versandhändler
Der erfolgreichste, weil beliebteste, Online-Versandhändler ist nach wie vor Amazon. Das zeigt, wie eng Beliebtheit und Erfolg im E-Commerce miteinander verknüpft sind.
Auch die Otto Group, Nummer Zwei auf der Beliebtheitsskala, spielt ganz vorne mit. Und noch ein Unternehmen ist aus dem Onlinehandel nicht wegzudenken: Zalando.
Der Versandriese für Schuhe und Mode will von den enormen Wachstumschancen des E-Commerce profitieren und seinen Umsatz verfünffachen.
Ein solches Wachstum braucht auch eine effektive Logistik und eine funktionierende Lieferkette. Als Musterbeispiel der Branche gilt der amerikanische Online-Versandhändler Zappos.com.
Tony Hsieh ist der CEO von Zappos.com, einem der größten Online-Schuhhändler in den USA. Der Inhalt seines Bestsellers Delivering Happiness (Englisch) wurde bereits vielfach diskutiert.
Für die meisten Leser waren die Erläuterungen zur starken Unternehmenskultur und dem überragenden Kundenservice die Kernaussagen des Buches. Aber wir können von Zappos.com auch eine Menge über das Supply Chain Management lernen.
Streckengeschäfte
Ursprünglich nutzte Zappos bei möglichst vielen Kunden sogenannte Streckengeschäfte (Englisch). Bei Streckengeschäften liefert der Hersteller direkt an den Kunden, der Händler vermittelt lediglich den Verkauf eines Produktes und leitet die Bestellung weiter.
Im Jahr 2003 wickelte Zappos 25% seiner Verkäufe über dieses Modell ab. Tony erklärt: „Streckengeschäfte waren leicht verdientes Geld.
Da wir kein Warenlager unterhalten mussten, gab es für diesen Bereich unseres Unternehmens auch kein Lagerhaltungsrisiko oder Cashflow-Probleme. Im Kundenservice-Bereich sah das allerdings ganz anders aus.
Die Bestandslisten, die wir von den Lieferanten der Streckengeschäfte bekamen, stimmten bestenfalls zu 95%. Das heißt, wir konnten mindestens 5% der Bestellungen aus dem Streckengeschäft nicht erfüllen.
Zudem arbeiteten die Versandabteilungen der verschiedenen Marken bei weitem nicht so schnell und exakt wie unser eigenes Lager WHISKY. Wir hatten daher eine Menge unzufriedene und enttäuschte Kunden.“
Schon während der frühen Dot.com-Ära musste Zappos feststellen, dass die meisten Marken, die sie in ihr Sortiment aufnehmen wollten, für Streckengeschäfte nicht geeignet waren.
Die Hersteller hatten die Logistik komplett auf die Belieferung großer Distributionszentren (oder Ladengeschäfte) von Einzelhändlern ausgerichtet.
Darüber hinaus waren die beliebteren Schuhmodelle der großen Marken, die Streckengeschäfte abgewickelt hätten, oft ausverkauft.
Aufgrund der Vorteile bei der Lagerhaltung und für den Cashflow nutzen viele Einzelhändler im B2C-Onlinehandel nach wie vor Streckengeschäfte.
Am Beispiel von Zappos können Sie aber erkennen, dass dieses Vorgehen viele Nachteile im Kundenservice mit sich bringt.
Lagerhaltung und Bestandsverwaltung
Anfänglich hatte Zappos die Auftragsabwicklung und die Bestandsverwaltung an eLogistics ausgelagert.
Das Internet-Unternehmen hatte sich direkt neben dem WorldPort Logistikzentrum von UPS in Kentucky angesiedelt. Durch die Nähe zum UPS-Logistikzentrum konnte eLogistics kürzere Lieferfristen und niedrigere Versandkosten anbieten.
Doch je größer Zappos wurde, desto unzufriedener war das Management mit eLogistics. Folgerichtig wurden die Bereiche Lagerhaltung und Versand in die interne Zuständigkeit übernommen.
Zappos eröffnete ein eigenes Warenlager und trat damit in direkten Wettbewerb zu eLogistics. Der Logistik-Anbieter musste am Ende schließen.
Die Entscheidung erklärt Tony so: „Als E-Commerce-Unternehmen hätten wir die Lagerhaltung eigentlich von Anfang an zu einer unserer Kernkompetenzen machen sollen.
Diesen Bereich an einen Drittanbieter auszulagern und darauf zu vertrauen, dass diesem unsere Kunden genauso wichtig sind wie uns, war einer unserer größten Fehler.“
Ein weiterer interessanter Aspekt der Logistik-Prozesse in der Lieferkette von Zappos: Auftragsabwicklung und Lieferzeiten haben oberste Priorität, weit vor klassischen Kennzahlen wie dem Warenumschlag.
Tony kommentiert den Sachverhalt so: „Unser Lager arbeitet rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr. Das ist wahrscheinlich nicht die effizienteste Art der Lagerhaltung […] aber wir streben ja auch nicht den effektivsten Warenumschlagwert an.
Wir wollen das bestmögliche Kundenerlebnis erreichen. Im E-Commerce bedeutet das unter anderem, die Waren so schnell wie möglich an unsere Kunden zu liefern.“
Lieferantenbeziehungen – für eine optimale Lieferkette
Der möglicherweise faszinierendste Aspekt der Supply-Chain-Prozesse von Zappos ist das Lieferanten-Programm. Zappos betrachtet seine Lieferantenbeziehungen ganz anders als die meisten Einzelhandelsunternehmen.
„Lieferanten werden in unserer Branche in der Regel wie Feinde behandelt. Ein respektloser Umgang, unbeantwortete Anrufe, Wartezeiten trotz fest vereinbarter Termine und die Erwartung, dass sie bei Geschäftsessen selbst bezahlen, sind die Norm.
Sie werden angeschrien, beschuldigt und missbraucht […] Alles, um den günstigsten Preis aus ihnen herauszupressen.“
Zappos scheint dagegen verstanden zu haben, was Martin Christopher von der Cranfield University so oft predigt: Nicht Unternehmen konkurrieren, sondern Supply Chains (Englisch).
In seinem Buch schreibt der Zappos-Manager dann auch folgerichtig: „Wenn ein Lieferant keine Gewinne macht, kann er auch nicht in Forschung und Entwicklung investieren.
Dementsprechend sind seine Produkte auf dem Markt weniger attraktiv für die Konsumenten. In weiterer Folge schadet das auch dem Einzelhändler, weil die Kunden keinen Kaufanreiz haben.
Da die Gewinnspanne beider Seiten beschränkt ist, wird versucht zu verhandeln und die Kosten zu senken. Es entsteht eine Abwärtsspirale, an der die meisten Einzelhandelsunternehmen scheitern.“
Kommen Lieferantenvertreter in die Zappos-Zentrale, werden sie mit einem Wagen vom Flughafen abgeholt, erhalten eine Führung durch die Büros und werden stets zum Essen eingeladen.
Tony erklärt: „Die Vorteile, die uns durch den Aufbau guter Lieferantenbeziehungen entstanden sind, sind immens […] Wenn die Bestände knapp werden, helfen sie uns, gefragte Produkte aufzutreiben […] Sie arbeiten eng mit unserem Marketing-Team zusammen, damit wir die richtigen Kampagnen an den richtigen Stellen platzieren können.“
Die Philosophie der Zusammenarbeit, die Zappos mit seinen Lieferanten innerhalb seiner Lieferkette pflegt, umfasst auch den B2B-E-Commerce und die Information Supply Chain.
Darüber schreibt der Zappos-Manager in seinem Buch: „Im Einzelhandel werden Informationen normalerweise gehortet, geheim gehalten und als Druckmittel gegen die Lieferanten eingesetzt, um mehr aus diesen herauszuholen.
Ein Einzelhandelsunternehmen möchte nicht, dass der Lieferant seine geschäftliche Situation kennt – er könnte ja mehr verlangen. Indem wir aber wirkliche Transparenz schaffen, können sie uns unterstützen und selbst von dieser Unterstützung profitieren […]
Die Lieferanten sehen Lagerbestände, Verkaufszahlen und Profitabilität. Sie können unserem Einkauf mögliche Bestellungen unterschriftsreif vorbereiten […] Im Endeffekt geben wir ihnen die Schlüssel zu unseren Läden.“
Zugegeben: Ein solches Maß an Vertrauen und Zusammenarbeit in einer Lieferkette sieht man im Einzelhandel selten. Und ich frage mich, warum nicht mehr Supply Chains auf diese Art kooperieren.
Hat das Geschäftsmodell von Zappos irgendein Geheimnis, weil sie Lieferanten faire Gewinnspannen und ein hohes Maß an Transparenz bieten – während andere Mode- und Schuh-Versandhäuser damit Probleme haben?
Was denken Sie? Diskutieren Sie mit uns!
Dieser Text wurde aus dem Englischen übersetzt.