Warum IT-Manager europäischer Energieversorger bereits heute von der digitalen Transformation profitieren – und das ist nur der Anfang

Der Klimawandel und die damit verbundene Nachfrage nach alternativen Energiekonzepten treibt auch die technologische Entwicklung im Energiesektor voran. 45 Millionen Elektroautos würde das deutsche Stromnetz verkraften, erklärt das Wissenschaftsmagazin Spektrum, weil „die Millionen ans Netz angeschlossenen Batterien durch intelligente Steuerung Leistungs- und Nachfrageschwankungen im Netz abpuffern könnten“.

Die intelligente Steuerung, Smart Grid, gehört zu den wichtigsten Herausforderungen für das Stromnetz der Zukunft. Ein „Smart Grid ist ein normales Stromnetz, das ausgerüstet mit digitalen Mess-, Kommunikations- und Regelungsinstrumenten sowohl das Netz selbst als auch die beteiligten Interessengruppen intelligenter macht“. So sollen beispielsweise neue Endgeräte wie intelligente Stromzähler (Smart Meter) Anlagen in Echtzeit steuern und eine bedarfsoptimierte Stromerzeugung und -verteilung sicherstellen. Die Voraussetzung dafür ist die Digitalisierung aller Beteiligten.

Dass die Energieversorger sich bereits auf einem guten Weg zum Smart Grid befinden, zeigt eine neue Studie von IDG und OpenText. So haben sich schon über 90 Prozent aller Energieunternehmen aus Großbritannien und der nordischen Region (Finnland, Norwegen, Schweden) ein Programm zur digitalen Transformation verordnet. Diese Unternehmen erkennen bereits, welche erheblichen Vorteile ihnen die Digitalisierung verschafft. Doch IT-Leiter in Energiefirmen sind sicher: „Da steckt noch mehr Potenzial.“

Instabile Preise sorgen für Konzentration auf betriebliche Effizienz

Die Ergebnisse unserer Studie zeigen, dass sich die Preisgestaltung in zweifacher Hinsicht auf Energieunternehmen auswirkt. Zum einen haben Energieversorger Schwierigkeiten Angebot und Nachfrage aufgrund der schwankenden Ölpreise angemessen auszutarieren. Wie es ein IT-Leiter aus Großbritannien formuliert: „Ein Großteil der Branche konzentriert sich auf die volatilen Ölpreise und deren Auswirkung auf die Kapitaleffizienz.“

Ein IT-Manager aus Finnland erläutert die Nachteile unbeständiger Preise: „Um in einem extrem umkämpften Markt zu bestehen, müssen wir unsere Preise ständig senken … Als kundenorientiertes Unternehmen müssen wir zudem beträchtliche Investitionen im Bereich Kundenzufriedenheit tätigen, was uns zusätzlich Sorgen bereitet. Zugleich müssen wir unseren Kunden einen fairen Preis und einen transparenten Kundenservice bieten.“

Wie sich der permanente Preisdruck auswirkt, bringt ein weiterer IT-Leiter aus Großbritannien auf den Punkt: „Den Energieversorgern geht es in der Hauptsache um Profitmaximierung während daran gearbeitet wird, die betrieblichen Kosten zu senken und die Effizienz von Prozessen zu verbessern.“

Die Digitalisierung der Betriebe macht Fortschritte

Aus den Antworten aus unserer Befragung lässt sich erkennen, dass sich die Energieunternehmen in der frühen Phase der digitalen Transformation auf betriebliche Abläufe und die Kundenerfahrung konzentriert haben. Das Management von Angebot und Nachfrage gehört dabei zu den wichtigsten Themen der untersuchten Energieversorger. Sie bezeichnen den Lastausgleich als eine der größten Herausforderungen für die Branche und als zweitgrößte Chance für die Digitalisierung.

Viele Unternehmen scheinen hier gute Fortschritte zu machen. Ein IT-Leiter aus der nordischen Region fasst den Eindruck vieler befragter Kollegen zusammen: „Die Digitalisierung erlaubt es uns, physikalische Assets mit der virtuellen Umgebung zu vernetzen. Das sorgt für effizienten Output und ermöglicht eine Überwachung von verschiedenen Standorten aus. Angebot und Nachfrage lassen sich leichter steuern und alle Abläufe mit Hilfe zentralisierter Daten von einem Standort aus kontrollieren.“

Die Ergebnisse dieser Anstrengungen beeindrucken. Wie ein IT-Verantwortlicher berichtet, „hat uns die Digitalisierung dabei geholfen, betriebliche Abläufe zu verbessern und die Flexibilität über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg zu steigern. Unsere Profitabilität ist um den Faktor 20 auf 30 Prozent gewachsen.“

Big Data vernetzt den Betrieb mit der Customer Experience

Einer der Hauptvorteile der digitalen Transformation besteht zweifelsohne in der Fähigkeit, sehr große Datenmengen effizient auszuschöpfen. In der Befragung wurde dies als der größte Nutzen der Digitalisierung bezeichnet. Überzeugende 98 Prozent der untersuchten Firmen erklärten, dass sie ihre Entscheidungen bereits auf Basis von Datenanalysen und -prognosen (Predictive Data) treffen.

Wie ein IT-Leiter aus Schweden erklärt: „Wir erkennen die positiven Auswirkungen der Digitalisierung. Die Produktivität hat sich erhöht. Und wir können die Angebots- und Nachfrageprozesse in unserem Unternehmen einfacher überwachen. Auf dem digitalen Weg können wir leichter mit unseren Kunden interagieren. Wir verstehen ihre Bedürfnisse und erhalten regelmäßiges Feedback.“

Ein IT-Manager aus Großbritannien beziffert das Ergebnis: „Wir setzen auf erweiterte Analysefunktionen (Advanced Analytics) um die Servicequalität zu optimieren, unsere Kundenbeziehungen zu pflegen und zu vertiefen. Durch die Digitalisierung eines einzigen Kernprozesses können wir die Prozesskosten im ersten Jahr um 20 Prozent senken und gleichzeitig die Kundenzufriedenheit verbessern.“

Analytics stärkt die Customer Experience

Die Ergebnisse unserer Studie verdeutlichen, dass alle IT-Leiter verstanden haben, was Datenanalysen leisten und die meisten die daraus gewonnenen Erkenntnisse bereits zur Verbesserung des Kundenservice nutzen. Gearbeitet wird an hoch personalisierten und individualisierten Serviceangeboten, die die Kundentreue und -bindung stärken.

„Mit der Einführung integrierter Kundendienstleistungen entwickeln wir uns von einem energiezentrierten zu einem kundenzentrierten Unternehmen. Um das Verhalten unserer Kunden besser zu verstehen, nutzen wir wachsende Volumen von Kundendaten. Wir haben die enorme Chance, innovative und digital-unterstützte Produkte und Services zu entwickeln und gebündelt in einem integrierten Kundenservice bereitzustellen“, erklärt ein IT-Leiter aus Großbritannien.

Ein anderer CIO fasst die Äußerungen seiner Berufskollegen zusammen: „Wir bieten unseren Kunden an, sich online, auf mobilen Endgeräten oder über die sozialen Medien zum Thema Elektrizität zu informieren, auf dem Laufenden zu halten oder zu kaufen. Durch den komfortablen, kostengünstigen und personalisierten Zugang zu Stromangeboten in jeder Preisklasse versorgen wir unsere Kunden mit einem differenzierten und modernen Service.“

Die Entwicklung personalisierter Produkte und Services in Verbindung mit personalisierter Preisgestaltung zieht sich wie ein roter Faden durch die Studie. Wie ein IT-Leiter aus Schweden vermerkt: „Wir bieten unseren Kunden bereits verschiedene Optionen zur Auswahl an. Diese Tarife können anhand von Kundenbedarf und -verbrauch modifiziert werden. Und wir entwickeln ständig neue Pakete, die auf die Anforderungen unserer Kunden abgestimmt sind.“

Intelligente Stromnetze werden dafür sorgen, dass Kunden zu Partnern werden

Laut unserer Studie konzentrieren sich europäische IT-Manager darauf, die Kundenerfahrung ständig weiter zu verbessern. Die Einführung von Smart Grids leistet dazu einen wesentlichen Beitrag.

Wie ein IT-Verantwortlicher aus Großbritannien kommentiert: „Das Stromnetz unterstützt das Energienetzwerk von morgen. Es wird den Elektrizitätsfluss in beide Richtungen ermöglichen, Informationen und Preissignale übertragen und für Ausgewogenheit bei Angebot und Nachfrage sorgen. Das stärkt die Zuverlässigkeit des Netzes, reduziert Verluste und integriert dezentrale Energieerzeuger, was zur Entlastung der Umwelt beiträgt. Das digitale Netz wird einen kontinuierlichen Fluss an Daten generieren – zu Verbrauch, Lastschwankungen, Preisanpassungen und Angebotsreaktionen – und damit die Effizienz des gesamten Systems erhöhen.

Einer der interviewten CIOs erklärt die Vorteile für Kunden und Anbieter: „Das Stromnetz der Zukunft ermöglicht es den Kunden, ihren Energieverbrauch über intelligente Zähler und Energiemanagementsysteme im Haushalt rund um die Uhr zu kontrollieren. Es erlaubt eine direkte Kommunikation mit Endkundengeräten, um den Verbrauch zu Spitzenzeiten zu reduzieren und den Bedarf an teuren Stand-by-Kraftwerken zu senken.“

Grundsätzlich erwarten die IT-Manager der Energieversorger, dass Smart Grids partnerschaftliche Beziehungen zwischen Kunden und Unternehmen fördern und dazu beitragen, dass die Kunden mehr Kontrolle auf der Nachfrageseite übernehmen. Unterstützt durch personalisierte Preisangebote, die es den Energieunternehmen ermöglichen, die Stromversorgung effizienter und kostengünstiger zu managen.

Obwohl dies noch ein paar Jahre dauern kann und durch die Dezentralisierung der Energieversorgung und der Stromerzeuger erschwert werden dürfte, sieht es ganz so aus, als hätten sich die befragten IT-Leiter bereits auf einen Kurs geeinigt.

Dieser Artikel wurde aus dem Englischen übersetzt.

Martin Richards

Martin ist Senior Director für Energiesektor-Lösungen bei OpenText. Er arbeitet seit mehr als 20 Jahren mit ECM-Technologie und entwickelt professionelle Lösungen und Services für die Energiebranche und die Maschinenbauindustrie.

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